Rechte decken sich mit Häusern ein

Die Zahl von Immobilien in der Hand von Rechtsextremen ist gestiegen. Ein Problem: Zu über 100 Objekten bleiben Details im Dunkeln.

Das Königreich kann sich mit einer weiteren Exklave rühmen. Der Ökolandwirtschaftsbetrieb Kanzleigut Halsbrücke, gelegen rund 30 Kilometer westlich von Dresden, gehört seit Ende Mai zum Besitz von Reichsbürger Peter Fitzek, dem selbst ernannten Herrscher des Königreichs Deutschland (KRD). Das sanierte Gutshaus mit Park, Hotel-Pension, Äckern und Vieh hat das KRD für 5,5 Millionen Euro in Ratenzahlung gekauft. Der Betrieb inklusive Hofladen soll weiterlaufen, einzelne Angehörige sollen schon vor Ort tätig sein. Interessierte Kundschaft müsse nur akzeptieren, „sich auf dem Gebiet des Königreichs aufzuhalten“, hatte Fitzek kurz nach dem Kauf erklärt. In Sachsen kann der sogenannte Oberste Souverän seines Fantasiestaates nun drei schlossartige Anwesen ausbauen.

Neue Räumlichkeiten haben allerdings nicht nur Anhänger der Reichsbürgerbewegung beziehen können. Bundesweit nutzen Rechtsextreme mittlerweile 210 Objekte – Tendenz weiter steigend. Eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Innenpolitischen Sprecherin der Linken, Martina Renner, offenbart, dass Rechtsextremen seit 2021 fast 40 neue Immobilien zur Verfügung stehen. Das gesamte Spektrum von NPD und Drittem Weg über Identitäre Bewegung und Junge Alternative bis zu Burschenschaften unterhält eigene Objekte.

Parallelgesellschaft in den eigenen vier Wänden

Seit Jahren erwerben Rechtsextreme Häuser, Kneipen und Höfe, um ungestört von Protest oder staatlicher Intervention Schulungen, Kampfsportevents, Konzerte oder Feiern auszurichten – oder auch, um dort zu leben. „Die Immobilien dienen Reichsbürgern und der extrem rechten Szene weniger als Geldanlage“, sagt Renner. Und warnt: „Dort etablieren sie ihre Parallelgesellschaft und schaffen Angsträume für alle, die nicht ihrem Weltbild entsprechen oder sich dem entgegenstellen.“

Die meisten Immobilien stehen der Szene laut der Antwort des Ministeriums in Sachsen-Anhalt mit 33 Objekten zur Verfügung, gefolgt von Sachsen (28), Thüringen (23), Brandenburg (22), Bayern (18), Baden-Württemberg (16), Mecklenburg-Vorpommern (15) und Nordrhein-Westfalen (15). In den anderen Bundesländern liege die Nutzungsmöglichkeit bei unter zehn Objekten. Das Ministerium listet zudem auf, dass bei 82 Immobilien Rechtsextreme die Eigentümer und bei 74 Objekten Mieter oder Pächter seien.

Die „Zielsetzung“ sei vor allem, „ein Leben unter Gleichgesinnten zu ermöglichen“, erklärt eine Sprecherin des Ministeriums gegenüber ZEIT ONLINE. Doch diese Klientel wolle nicht bloß unter sich bleiben, sondern das „Umfeld“ prägen und „bestehende Strukturen“, Vereine, Schulen und Wahlämter unterwandern.

In vielen Fällen bleiben Einzelheiten geheim

In den vergangenen Jahren haben bereits zivilgesellschaftliche Initiativen stetig vor dieser Strategie im vorpolitischen Raum gewarnt. Besorgniserregend sei insbesondere die „schleichende Vereinnahmung“ bestimmter Landstriche „durch vermehrten Zuzug extremistischer Akteure, die ideologische Prägung von Regionen und Ortschaften und letztendlich die Schaffung einer kulturellen Vorherrschaft in einer bestimmten Region“, teilt die Ministeriumssprecherin mit. Alle zuständigen Stellen sowohl auf regionaler als auch auf Bundesebene stünden im ständigen Austausch dazu.

Ein Problem offenbart die Antwort allerdings selbst. Zu 112 Immobilien macht das Innenministerium aus Gründen des Quellenschutzes keine näheren Angaben – etwa über den Ort oder ob es sich um Eigentum oder Miete handelt. Parlamentarierinnen und Journalisten bleiben Informationen vorbehalten, da sonst Informanten enttarnt werden könnten. Dieses staatliche Schweigen erschwere eine öffentliche Auseinandersetzung, sagt Politikerin Renner: „Es ist unverständlich, dass über Hälfte der Immobilien von Neonazis der Öffentlichkeit verschwiegen werden.“ Auch diese Zahl ist 2023 um 30 Objekte gestiegen.

Zudem bemängelt die Bundestagsabgeordnete: „Vor Ort fehlen tragfähige Konzepte, wie die Behörden und Gemeinden dem entgegentreten können.“ Das Bundesinnenministerium weist indes auf einen Erfolg gegen die sogenannte Gemeinwohlkasse des Königreichs Deutschland hin, eine Art Bank für Reichsbürger. Im Februar hatte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht die Schließung von mehreren Repräsentanzen der Kasse durchgesetzt. Renner ist dennoch skeptisch. Die Schließung sei „kein durchgreifender Erfolg“. Nicht allein, weil Herrscher Peter Fitzek abermals ein Hofanwesen erworben hat: Das Königreich macht weiterhin Werbung für seine Fantasiebank.